Johanniskraut (Hypericum perforatum)

 

„Ihre Tugend kann gar nicht genug beschrieben werden. Es ist nicht möglich, dass eine bessere Arznei gefunden. Das ist ein Arnicum, ein Universalheilmittel mit höchster Wirkkraft, der sich alle beugen müssen.“ Paracelsus

Wer wird denn da so über den grünen Klee vom alten Meister gelobt? Es ist das Johanniskraut, eines meiner absoluten Lieblings-Phytotherpeutika. Paracelsus hat nicht übertrieben, das wirst du nach dem Lesen dieses Artikels bestätigen können.

 

Johanniskraut gehört zu den Hartheugewächsen, den sog. Hypericaceae.
Es ist mehrjährig, die Stängel werden bis zu einem Meter hoch und tragen länglich- ovale, durchscheinend getüpfelte Blätter. Die Blüten sind leuchtend gelb und erscheinen durch die schwarzen Punkte auf dem Rand perforiert. Was du hier siehst sind die namensgebenden Öldrüsen, die unser Hypericum unter anderem so kostbar machen. Bei den Kelten stand das rote austretende Öl für das Blut des Sonnengottes Bel (Belenos), bei den Heiden war es dem Baldur geweiht. Was haben die Christen wohl gemacht? Sie weihten es flux Johannis dem Täufer, der zur Zeit der Sommersonnwende geköpft worden sein soll und dessen Blut in die Pflanze über ging. Immer wieder schön, wie leicht sich die alten Traditionen in das christliche Weltbild einbauen lassen…

Sammeln kannst du das blühende Kraut von Juni (Mittsommer) bis August. Traditionell sagt man, dass die Sommersonnwende der perfekte Zeitpunkt ist, aber zumindest bei uns im Voralpenland blüht da noch gar nix.

Johanniskraut ist ein Lichtbringer. Es speichert die Sonnenenergie der warmen, hellen Jahreszeit und gibt sie großzügig ab, wenn wir sie brauchen, innerlich als Tee oder Präparat und auch äußerlich angewandt kann es diese Wirkung entfalten, zum Beispiel in Form des wunderbaren Rotöls, für dessen Herstellung du am Ende des Blogartikels ein Rezept findest.

Ein anderer alter Meister und Kräuterkundiger, Leonart Fuchs bezeichnete die Pflanze als „Fuga daemonum“, einen Geistervertreiber also, und auch Paracelsus schrieb, es würde phantasmata vertreiben. Wie du noch sehen wirst, hatten beide recht. Es war Brauch, einen Hartheustrauß oder einen, der unter anderem Johanniskraut enthielt, über dem Bett aufzuhängen um schlechte Energien und Träume fernzuhalten. Das ist das, was mich an dem alten Wissen immer wieder so fasziniert: Anhand der Signaturen und der Kommunikation mit der Pflanze konnten die Altvorderen erkennen (und auch wir können das heute noch, wenn wir diesen Weg gehen), für welche Lebensthemen und Symptome eine Heilpflanze zu gebrauchen war. Im Fall des Hypericums könnte das in etwa so formuliert werden: Die wie Perforationen wirkenden Öldrüsen erinnern an Stichwunden, an Löcher in der Seele und so kann das Johanniskraut diese heilen. Jahrhunderte später überprüfen wir nun mit modernster Labortechnik diese Angaben und siehe da: spot on!

 

Johanniskraut wirkt innerlich antidepressiv, stimmungsaufhellend, angstlösend, beruhigend, wohltuend und stärkend. Klingt toll? Ist es auch! In diversen großangelegten Studien konnten Präparate aus Johanniskraut locker mit pharmakologischen Antidepressiva mithalten, wenn es um die Behandlung von leichten bis mittelschweren Depressionen geht. Diese Studien waren für mich als Psychologin Grund genug mich eingehender mit der psychologischen Wirkung von Pflanzen zu beschäftigen und haben mir, weil sie mich so gelfasht haben, mitunter von der klassischen Psychologie entfernt und mir Tür und Tor geöffnet, in mein ergänzendes Dasein als kundige Kräuterfrau.

 

Die nach heutigen wissenschaftlichen Standards evaluierten Indikationen reichen tatsächlich von Winterdepression über vorübergehende depressive Verstimmungen bis zur langfristigen Behandlung nervöser Unruhe. Aber auch Depression als Begleitsymptom der Alzheimer-Demenz kann gut mit Johanniskrautpräparaten behandelt werden. Da Hypericum eine abschirmende Wirkung gegenüber Reizen aus dem Außen hat, kann es fantastisch bei Angststörungen und Stress oder auch bei der bei der Behandlung von Burn-Out Syndrom begleitend eingesetzt werden. Auch uns Frauen erweist es große Dienste bei PMS und Beschwerden im Klimaterium (Flushsymptomatik und Schlafqualität werden verbessert). Du bist jetzt schon Fan? Na dann warte mal ab…

Äußerlich wirkt das Johanniskraut antimikrobiell, antiviral, antioxidativ, wundheilend und durchblutungsfördernd. Es kann angewandt werden kann es bei trockener, spröder Haut, kleinen Wunden (vor allem in nervenreichem Gewebe wie z.B. den Fingerkuppen), aber auch bei Verstauchungen, Blutergüssen und rheumatischen Beschwerden. In der Schwangerschaft hilft es bei Ischiasschmerzen und beugt Dammrissen vor. Ein weiteres Anwendungsgebiet sind rheumatische Schmerzen, Neuralgien, Verbrennungen Ersten Grades und Neurodermitis (hier hilft hyperforinreiche Creme). Aber auch für schöne strahlende Gesichtshaut kannst du einfach einen Tropfen Rotöl in die feuchte Haut einmassieren.

Für diejenigen, die es gern genauer wissen wollen, habe ich hier mal die Hauptinhaltsstoffe zusammengefasst:

  • Phloroglucinderivate wie Hyperforin
  • Naphthodianthrone wie Hypericin & Hypericinanaloga
  • Flavonoide, Biflavonoide
  • Flavone wie Quercitrin, Rutosid, Apigenin & Luteolin
  • Oligomere Proanthocyanidine & weitere Catechingerbstoffe
  • Xanthone wie Hypercorin und Xanthonolignane
  • in geringer Menge ätherisches Öl

Und wie nimmst du dieses Wundermittel nun am besten auf? Nun, entweder als Tee (1-2 Teelöffel getrocknetes Kraut mit heißem Wasser übergießen, 10min ziehen lassen, zwei Tassen täglich) oder als Öl, Tinktur oder Frischpflanzensaft. In der Apotheke erhältst du auch jede Menge verschreibungspflichtige und frei verkäufliche Fertigpräparate.

Bei der Anwendung von Johanniskraut können leichte Nebenwirkungen auftreten. Hier sei zum einen die Photosensibilisierung erwähnt, denn die Lichtempfindlichkeit wird durch Hypericine erhöht. Es kann also ratsam sein, nach der Einnahme oder dem Auftragen von Auszügen aus Johanniskraut die direkte Sonne zu meiden. Außerdem kann es zu einer Wirkungsabschwächung bestimmter Medikamente kommen (Empfängnisverhütung, Gerinnungshemmer, HIV-Medikamente, Schlafmittel und Lipidsenker), weshalb du bei Einnahme derartiger Mittel Rücksprache mit deinem Arzt / deiner Ärztin oder deiner Naturheilkundlerin / deinem Naturheilkundler halten solltest.

So, jetzt bist du sicher begeistert vom Johanniskraut und möchtest gleich rausgehen und sammeln. Daher hier noch ein Rezept für Rotöl, das du direkt anwenden oder zu einer Salbe weiterverarbeiten kannst.

 

Rezept

  • Fülle ein Glas locker mit Blüten, Knospen und Fruchtkapseln
  • Gieße es mit gutem Öl auf
  • Lasse das Glas unverschlossen abgedeckt mit Tuch stehen.
  • Nach ein paar Tagen kannst du es verschließen und sechs Wochen stehen lassen bis rot gefärbt hat.
  • Anschließend einfach in dunkle Flaschen abseihen.

Ja, es ist wirklich so einfach!

 

Ich wünsche dir viel Freude beim Sammeln, beim Entdecken, beim Ausprobieren und beim Sonne tanken – mit Hypericum auch möglich in den grauen Wintertagen!

Alles Liebe,

Janna Raphaela